#frombehindthescenes

Zunehmend erwische ich mich dabei, analog, so richtig im offline-Leben mich zu erklären. Vor Familie, Freunden, Bekannten und selbst Fremden. Seit Mai lebe ich aktuell aus dem Koffer, und für viele scheint das der Inbegriff der Perfektion von Leben zu sein und ich wiederhole mich, immer wieder, wenn ich versuche, das ganze nicht nur durch die perfekten Content-Brille zu erklären, sondern versuche deutlich zu machen, dass dein Päckchen, dass du trägst, und das wir alle tragen, dich begleitet. Egal wohin du gehst, vielleicht fühlt es sich leichter an, wenn du gerade vollgepumpt mit Serotonin und Vitamin B unter der indonesischen Sonne liegst oder bei deiner Freundin auf der Vespa sitzt und dir die Sommerluft durch die Haare zieht. Aber es bleibt.

Natürlich entstehen, wenn man viel unterwegs ist schöne Fotos und ja, ich stehe auch gerne vor der Kamera, wenn die Haut so gebräunt ist, dass ich kein Make-Up brauche. Und ich war sehr oft sehr im Reinen mit mir selbst und hab mich mit mir wohl gefühlt. Das ist das Schöne am unterwegs sein, du entdeckst viel Neues, lernst wieder Neues, hast wieder Herausforderungen, große und kleine. Dein Geist fühlt sich belebter und du dich generell wieder wach. Fragst dich, warum du soviel Zeit bisher vermeintlich verschwendet hast, anstatt zu Reisen. Anstatt jeden Tag deine Kamera, dein Buch, was auch immer euch immer begleitet, zu schnappen und einfach drauf loszugehen. Denn es gibt ja soviel zu entdecken, hinter jeder Ecke. Und dann kommt er, der Tag, an dem du das nicht mehr so machst. Liegen bleibst, genug hast, gesättigt bist. Die Gewohnheit setzt ein. Warst du in der Aufbruchsphase und Ankommensphase noch so euphorisch und hast dich über jedes noch so kleinste Detail erfreut, das anderen wohl nicht einmal aufgefallen wäre. Und nun, nun schwindet die Kraft dieser Eindrücke auf dich. Rein psychologisch ist das etwas ganz normales, du selbst bedauerst das aber dennoch. 

Was ich gelernt habe, ist, dass es für mich nicht erstrebenswert ist, non-stop zu Reisen. Ich für mich komme mit den Eindrücken dann nicht hinterher, beziehungsweise erwische ich mich dabei, mich schlecht zu fühlen, weil ich sie nicht zu Genüge wertschätzen kann. Einfach, weil es zu viele sind. Und mit jedem kleinen Eindruck entsteht auch eine kleine Distanz. Zwischen Dir und all denen, die gerade nicht bei dir sind. Wir leben so schnelllebig wie noch nie, Kommunikation innerhalb von Sekunden weltweit ist für uns normal, wir sind nicht mehr offline. Also ihr, die ihr das hier lest wahrscheinlich selten, wenn überhaupt. Und dennoch schaffe es zumindest Ich nicht, das Erlebte so zu transportieren, zu kommunizieren, dass ich es für gelungen empfinde. Ich kann erzählen, wie schön ein Moment war, aber innerlich rege ich mich auf, dass, wer nicht dabei war, es nie verstehen kann. Dieses Phänomen kennen wir wohl alle von Freunden, Bekannten, Menschen, die längere Zeit weg waren. Lebensluft geschnuppert haben und sich für eine kurze Zeit über den Dingen fühlen. Das Problem sind nicht die anderen, die nicht dabei waren. Die, nach deiner Denke nicht verstehen können, was du gesehen, erlebt und gefühlt hast. Das Problem ist, dass Du das so sehr willst, weil du dich dann verstanden fühlst. Du kommst nicht drum herum, dich nach längerer Zeit auf Reisen – ich rede hier nicht von 14-tägigen Robinson Club Urlaub!- zu verändern. Un d das geschieht still und heimlich und irgendwann blickst du zurück und denkst, wow. Was ist hier bitte alles in kürzester Zeit passiert? Und dann stellst du fest, die Welt dreht sich nicht nur wo du bist, sondern auch an dem Ort, den du verlässt, weiter. Und die Herausforderung für mich ist es nun, um ganz ehrlich zu sein, mich wieder an dem Ort, von dem ich im Frühjahr unbedingt wegwollte, wieder einzuleben. Versteht mich nicht falsch, wir alle wissen, Hamburg ist ne’ Perle, die schönste, die Hälfte von Zwei! Für mich bedeutet es nun mehr wieder Monotonie, Grau, Entschleunigung. Und so sehr ich mich davor auch grad fürchte, fängt das mich wohl auch am Ende wieder auf. 

Was du verlierst, ist Zeit mit deinen Freunden. Die Festivals ohne dich besuchen, sich abends zur MovieNight treffen, im Park chillen, Events besuchen. Da wärst du schon gerne dabei gewesen, aber du sitzt ja gerade auf dem Krater eines Vulkans und bestaunst einen Sonnenaufgang. Da sind berufliche Chancen, Leute, die du öfter treffen solltest, weil sie wertvollen Input für dich haben. Aber du machst gerade eine Segeltour auf einem Vintageboat. Und dann ist da deine Oma, die in deiner Abwesenheit operiert werden soll, du bist aber nicht da. Denn du fährst gerade mit einem Mitsubishi Van an der portugiesischen Küste entlang. Dir nahestehende Menschen erleben Verluste und du verfluchst die Tatsache, dass du nur über dein Handy telefonieren kannst und fühlst, dass kein SkypeCall und keine WhatsApp-Message das ersetzt, was du gerne geben würdest, wärst du da. Aber du sitzt in einem Tuktuk, auf dem Rücken eines Pferdes, in einem Uber zum nächsten Abenteuer, whatever und bist nicht da. Am Ende bringst du oft Opfer, die du nicht bringen wolltest. Am Ende des Tages lässt sich nicht alles haben und du jonglierst, mit deinem Job, den Menschen, die du liebst und deinem eigenen Wohlbefinden. Dass sich das, was man will, ändern kann, ist etwas Gutes und über sich selbst zu lernen und sich auch einzugestehen, dass man vielleicht in manchen Dingen auch in Hinsicht auf sich selbst falsch lag kann am Ende des Tages versöhnliches Gefühl sein. 

Natürlich veröffentliche ich auf sozialen Plattformen keine Aufnahmen davon, wie ich am letzten Tag in Indonesien mit Schmerzen und Tränen in den Augen im Krankenhaus anstatt unserer wunderschönen Unterkunft direkt am Strand lag. Oder wie ich volltrunken einen kleinen Breakdown habe, weil ich nicht mehr weiß, was Zuhause bedeutet. Vielleicht sollte ich das, wird aber nicht passieren. Ich habe jedoch so unerwartet viele Nachrichten bekommen, wie ich Remote Arbeit verwirklicht habe, wie ich mir das alles leisten kann und neun von zehn Leuten haben ihre Bewunderung, wenn nicht sogar Neid kundgetan. Und deshalb möchte ich das Bewusstsein für alles, was fernab der glücklichen, gut gelaunten Aufnahmen auf bspw. Instagram passiert, schärfen. Wir alle haben soviel mehr in uns als wir nach außen hin teilen, und das ist vollkommen fein. In gewisser Hinsicht finde ich es legitim, dass wir es bevorzugen, das Schöne zu teilen. Solange wir nicht vergessen, dass zwischen Schwarz und Weiß noch viele weitere Facetten liegen.

„Wenn ich erstmal meinen Koffer packe, etwas hinter mir lasse, wird alles besser“. Ja, es tut gut und ist meiner Meinung nach wichtig, hin und wieder „rauszukommen“, sich mit nicht alltäglichem zu konfrontieren und neugierig zu sein. Nirgends lernt man mehr, als auf Reisen, out of your comfort zone blabla. Aber ich habe für mich gelernt, dass das nicht das Non-plus-Ultra ist, nicht die endliche Erfüllung. Kein Problemlöser. Du gewinnst viel, läufst aber auch Gefahr, zu verlieren. 

Am Ende des Tages zählt denke ich, was deine Base ist. Wer dich fängt, wenn du fällst. Auf wen du dich verlassen kannst und dass Du jemanden hast, vor dem Du echt sein kannst. Nur du mit all deinen Gedanken und Gefühlen und was es ist, was dich zurückkommen lässt. Ich habe tatsächlich keine Antwort auf die Frage, ob ich dieses Jahr so nochmal wiederholen würde. Und wenn jetzt einer von euch sagt „aber du hast so viel erlebt, wie kannst du denn das nicht sofort wiederholen wollen“ dann liest er diesen Beitrag bitte noch einmal und versucht ihn nicht durch die rosarote-perfekte-instagram-Content Brille zu sehen. Ich brauche das Reisen, würde es aber wohl bevorzugen, in Zukunft zwischen jeder Reise mir selbst eine Zeit aufzuzwingen, in der ich reflektiere und abschließe. Denn irgendwann kommt man nicht mehr hinterher. 

Das klingt jetzt deep und düster womöglich, ja, ich hatte wundervolle Momente, die ich nie vergessen werde und für nichts in der Welt missen. Und es war eine wahnsinnig aufregende Zeit. Ich bin von Herzen dankbar für die Möglichkeit, so viel gesehen zu haben und erlebt zu haben. Ich schätze den Austausch mit vielen, die das hier lesen und freue mich, dank all der Erlebnisse den einen von euch zu inspirieren, den anderen mit Tipps zu versorgen. So oft ist es mehr, als das simple Teilen eines Fotos, daher hier zusätzlich ein Stück Ehrlichkeit. Eine Erinnerung daran, dass wir am Ende alle unser Päckchen mit uns haben und ein toller IG-Post nicht immer alles widerspiegelt. 

Mehr Candid-Shots statt Canonshots. 

xx

4 comments

Ingrid Ploss November 21, 2018 - 4:28 pm

<3

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Style Appetite November 21, 2018 - 6:28 pm

So ehrlich, so schön.
Schonungslos aber auch für mich absolut nachvollziehbar.
Danke dass du auch das mit uns teilst <3

Bis bald hoffentlich mal wieder 🙂

Xxx
Tina

https://styleappetite.com

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annemausmag November 22, 2018 - 2:00 pm

Finde ich mutig, aber richtig, dass du deine Gedanken hier teilst und uns mitnimmst in deine Gefühlswelt.
Wichtig ist, dass man alles wertschätzt, was man erlebt und dankbar ist. Im Hier und Jetzt zu leben, ist aber noch viel wichtiger. Also behalte die tollen Erinnerungen in deinem Herzen und komme gut an. ?
Dein Freund und alle, die dich lieben, empfangen dich sicherlich mit offenen Armen!
Xoxo Anne

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Nicht perfekt, um ehrlich zu sein! » grossstadtklein Januar 6, 2021 - 10:27 am

[…] to celebrate // outfit-inspo Nicht perfekt, um ehrlich zu sein! Geschenkeguide // #Fernweh Sturm, Drang & Aufklärung // #tobehonest 72h in London // Impressionen-Overload Lissabon – wo’s geschmeckt hat […]

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