Meinen letzten persönlicheren und längeren Beitrag habe ich mit “change needed” betitelt. Weil ich unzufrieden war in so vieler Hinsicht, teils durch äußere Umstände teils aber auch einfach selbstverschuldet durch die beliebte Comfort Zone. Meine drei Monate Leben auf Bali enden heute, ich sitze am Flughafen die Zeit bis zu meiner zwanzigstündigen Heimreise ab. Und heute ist der Tag, den ich gerne noch länger vor mir hergeschoben hätte. Weil ich all die Zeit hier daran gedacht habe, heute mein Fazit zu ziehen. Und es fällt so so schwer. All die Gedanken zu ordnen und ordentlich, halbwegs verständlich aufs Display zu bringen.
Ich war selten so hin- und hergerissen. Innerlich eigentlich vollkommen ruhig und überwältigt von Glücksgefühlen und Gefühlen der Dankbarkeit, die großartige Möglichkeit gehabt zu haben, eine Zeit in meinen Zwanzigern gemeinsam mit meinem Partner in einer der schönsten Gegenden der Erde verbringen zu dürfen und dabei arbeiten zu dürfen. Arbeiten und dafür dankbar sein? Ja. Das wollte ich und es gab keine Zeit, zu der es mich gestört hätte, die Brötchen auch in meiner Zeit dort verdienen zu müssen. Ich habe viele Reisen hinter mir und es werden noch Urlaube kommen.
Die letzten Monate waren rückblickend dennoch gefüllt mit so vielen unerwarteten Ereignissen. Und das war es, was mir fehlte. Unvorhergesehenes. Spontanität. Aufwachen und sich auf den Tag freuen. Weil ich frei war. Frei davon, an einem mir vorgegebenen Ort arbeiten zu müssen, oder zu festen Zeiten (abgesehen von der zeitlichen Überschneidung mit Kunden in Deutschland). So kam es, dass ich mir bspw. an einem Samstag Morgen den Wecker auf 7am stellte, weil ich in der Morgenruhe zum Sonnenaufgang produktiv sein wollte. Oder ich abends mit dem Laptop noch nachträglich reingekommene Mails beantwortet habe. Ich habe zum Vergleich zu Deutschland meine Stundenzahl um ein Viertel reduziert, um selbstverständlich auf Bali dennoch Möglichkeiten für kleine Ausflüge zu haben. Für die Zeit hier hat mir das unglaublich gut getan, wieder mehr Zeit für mich, meinen Freund und die schönen Dinge zu haben. Ich persönlich ziehe hinsichtlich des Arbeitens folgendes Fazit: Die Arbeit bleibt dieselbe, egal wohin man sie mit sich nimmt. Das Quäntchen Selbstbestimmtheit war jedoch das, was es vollkommen wert war und wie wir alle wissen, arbeitet, wer zufrieden ist, ohnehin besser. Was ich mir nach dieser Erfahrung hier nicht wünsche, ist dies non-stop so handhaben zu können. Hin und wieder jedoch die Möglichkeit zu haben, ortsunabhängig zu arbeiten, ist für mich ein erstrebenswerter Kompromiss.
Nicht zuletzt aufgrund meines Studiums der Wirtschaftspsychologie, in welchem uns hochrangige Professoren die New Work Bewegung romantisiert haben, hinterfrage ich “Arbeiten” wohl unentwegt. Wir alle wollen nicht Leben um zu Arbeiten, noch umgekehrt. Und dennoch nimmt ein Job in der Regel die meiste Zeit der Woche ein. Letztlich doch nur selbstverständlich, dass man Arbeit, das Umfeld, die Branche, Strukturen, Motivation etc. hinterfragt oder? Ich bin dankbar für die Möglichkeit der Erfahrung hier und versuche mir ein Stück meiner Gelassenheit zu bewahren. Erstaunlich jedoch, um das Thema abzuschließen, waren jedoch die unterschiedlichsten Reaktionen von Freunden, Fremden, Followern und auch Unternehmen. Durchweg positiv. Teilweise erscheckend positiv, als hätte ich etwas vollkommen Außergewöhnliches getan. Gearbeitet aber nicht im Büro. Fühlt sich eigentlich gar nicht so außergewöhnlich an. Nur gut.
Was Bali auch aufregend für mich machte, war das erste mal mit vielen Menschen zusammenzuleben. Als ich von Bayern nach Hamburg gezogen bin, hatte ich eine schöne große Altbauwohnung für mich alleine, danach habe ich bei Nils gewohnt, jetzt haben wir eine kleine schöne Altbauwohnung 😀 In einer WG habe ich so aber nie gewohnt. Nils und ich haben ein Haus mit 5 Deutschen, 1 Norwegerin, 3 Franzosen und 1 Belgierin & 1 Kater geteilt. Das war ziemlich cool um ehrlich zu sein und für mich als jemanden, der große Gruppen ganz furchtbar findet, eine Erfahrung. Am Ende habe ich unsere kleine große Gruppe ganz schön ins Herz geschlossen und nach jedem Abschied flossen ein paar mehr Tränen. Es ist einfach verrückt, eine Zeit in einem völlig anderen Land zu teilen, deep talks am Strand zu führen und grundsätzlich einen Teil seiner Persönlichkeit zu teilen und zu sehen, wie letztlich jeder wieder in sein Leben zurückfliegt. Das macht es surreal. Den oder die ein oder andere oder alle sehe ich aber ganz bestimmt wieder.
Was überraschend für mich war: Wie schnell sich Gewohnheit einstellt. Es heißt, nach 21 Tagen gewöhnt sich die Psyche an etwas. Und so war es. Auf Bali gelandet klebte ich die ersten Tage noch wie ein kleines Kind an der Fensterscheibe der Autos und rief “boah schau mal”, “hast du das gesehen?”. In den letzten Wochen stellten wir immer wieder fest, wie “normal” es ist, hier zu sein. Es fühlte sich nicht mehr 13k Kilometer entfernt von Deutschland an ( und selbst das Wissen, dass Deutschland 13k Kilometer entfernt ist, fühlte sich mehr gut als merkwürdig an!). Du beginnst mit der einheimischen Kaffe-Frau, die dich schon von weitem mit Namen grüßt, kleine Gespräche zu führen. Der Securitytyp beginnt dich täglich zu fragen, wie es dir geht während er dich mit voller Euphorie durch den verrückten Verkehr über die Straße bringt. Und die Kassiererin in deinem Supermarkt weiß schon was du kaufst, bevor du etwas sagen kannst. Das gibt ein Gefühl von Zuhause und so unspektakulär und schäbig unsere Wohngegend auch war, sie fehlt mir. Genau jetzt während ich das schreibe. Es war wirklich keine schöne Umgebung, es war laut, ein furchtbarer Straßenverkehr. Aber es war unsers. Und ich bin dankbar, mit welcher Gastfreundschaft wir wohin wir auch gingen empfangen wurden.
#changeneeded. Und nun frage ich mich unentwegt, gab es eine Veränderung? Hab ich mich verändert? Hat sich vielleicht gar nichts verändert? Ich weiß es nicht. Vermutlich sind die Eindrücke zu frisch und noch zu unsortiert und zu wenig reflektiert, als dass ich die Frage klar beantworten könnte.
Würde ichs wieder machen? Ohne zu zögern. Ich hatte es einmal erwähnt, 2018 habe ich mir vorgenommen, mehr meiner Zeit Freunden, Partner und Familie zu schenken. Ich werde dieses Jahr das erste mal seit 6 Jahren wieder länger als eine Woche bei meinen Eltern sein und kanns kaum erwarten, meine Familie mal wieder stressfrei um mich zu haben, sprich nicht nur mit halb ausgepacktem Koffer dort zu wohnen. Apfelkuchen mit meiner Oma zu essen und auch mal meine beste Freundin wieder besuchen zu können. Im Anschluss wird es für mindestens einen Monat, wahrscheinlich zwei wieder ins Ausland gehen. Isabel, mein liebsten Weltenbummlermädchen, habe ich während eines sozialen Auslandspraktikums auf Sri Lanka kennengelernt und sie war einer der Menschen, die du siehst und von denen du weisst, das wird eine verdammt gute Freundschaft. Das ist nun fünf Jahre her und ich freue mich, endlich mal mehr als nur zwei Tage mit ihr zu haben und zwar in einer der schönsten Städte Europas: Lissabon.
Was mich hier auf kurz oder ein lang geprägt hat:
- das Buch the subtle Art of not giving a fuck
- die Aussage, dass Glück nur durch Lösen von Problemen zu erreichen ist
- die Freundlichkeit der Menschen hier (Sarah, 26, war nun drei Monate im Ausland und kommt mit ernst schauenden Hamburgern nicht mehr klar)
- zu sehen, wie es sich auch mit weniger zufrieden leben lässt ( eigentlich der Hauptgrund, warum ich so auf Fernreisen stehe – sie erden )
- das Gefühl von Freiheit, vielleicht nicht einmal durch die Umstände sondern mehr durch den Fakt, dass ich mich etwas getraut habe und es mir gut getan hat – dass ICH mir etwas Gutes getan habe
- die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann
- meine ersten beiden Erdbeben, das letzte mit einer Magnitude von 6.4 !
- so eindrucksvoll nur in Indonesien bisher gesehen/erlebt: Auch wenn Du keine Ahnung hast, wie. Am Ende funktionierts. Egal was. 😀
- und zum Schluss mal wieder – wie wunderschön unser Planet ist und wieviel es noch zu sehen gibt
Einen kurzen Reisebericht werde ich wohl mit ein paar Tipps noch geben in Form eines Blogeintrages. Ich habe so viele liebe Nachrichten via Instagram erhalten mit Fragen und Bitten um ausführlichere Informationen, dass ich gerne eine kleine persönliche Liste erstellen werde mit meinen Favoriten.
Witzigerweise habe ich vor meiner Bali-Planung meinen Eltern eine Pro-&Contra Liste vorgelegt, um sie davon zu überzeugen, dass ich das Richtige mache. Die beiden sind einem älteren Semester entsprungen und einfach mal für drei Monate nach Indonesien abhauen erschien ihnen jetzt milde gesagt eher unkonventionell. Ich habe geschrieben, dass ich mein Englisch wieder aufbessern werde, mich super gesund ernähren werde, Sport machen werde etc. Jetzt sitze ich hier und muss mich zusammenreißen, nicht laut zu lachen. Die westliche Küche ist auf Bali einfach um Welten geiler als bei uns & Sport macht man bei 33 Grad einfach nicht. Ich zumindest nicht. Braune Haut wiegt eben letztlich 3 Kilo mehr. Das mit den drei Kilo mehr weiß ich übrigens daher so genau, weil ich mich gestern wiegen musste. Im Krankenhaus. Ja an unserem letzten Tag. Nils hatte mir für die letzten beiden Nächte eine wundervolle Unterkunft geschenkt, ich habe drei Monate ohne das kleinste Übel überstanden und unseren letzten Tag ausgerechnet habe ich zur Hälfte im Bett zur Hälfte im Krankenhaus verbracht. Es geht mir aktuell aber soweit gut und die medizinische Versorgung auf Bali steht der bei uns in wirklich nichts nach.
Nach kurzem Überfliegen wirkt das Geschriebene hier in etwas so strukturlos und konfus, wie ichs erwartet habe. Es wird wohl einfach noch eine Weile dauern, bis ich alles der letzten drei Monate auf die Kette bekommen habe 🙂 Nun freue ich mich einfach nur, mit dem Gefühl etwas verdammt richtig gemacht zu haben darauf zurückzufliegen und meine Eltern in die Arme zu nehmen. Und auf eine richtige Dusche – See you in 25 Hours Germany.
xx ein letztes mal aus Bali
2 comments
beim lesen sind mir doch tatsächlich ein paar Tränchen runter gekullert – hab dich lieb <3
Hach meine Liebe, jetzt schaffe ich es erst jetzt das zu lesen aber besser spoät als nie oder 😉
Deine Zeit auf Bali war schon als Follower absolut atemberaubend und so spannend zu verfolgen -also ich hoffe natürlich auch auf einen ausfürhlichen Guide 😉
Und ich muss mir auf jeden Fall das Buch besorgen das du genannt hast – ich denke ich muss mir selbst auch noch etwas Gedanken zum Thema Arbeit machen und wie das alles so weitergehen soll. Aber mal schauen 😉
Erstmal wünsche cih dir eine tolle zeit in Hamburg und hoffe insgeheim dass du dich nochmal nach Berlin verirrst 😉
Ansonsten müssne wir uns wohl in Lissabon sehen ♥
xxx
Tina
https://styleappetite.com