Wie es war, als adoptiertes Kind groß zu werden und wie sich meine Sicht auf die Adoption verändert hat:
„Ich bin adoptiert, deshalb sind meine Eltern auch schon ein wenig älter.“
„Oh, achso. Mhh. Und wie ist das so für dich? Also nur wenn du darüber reden möchtest?“
„Ziemlich cool um ehrlich zu sein, schließlich ist es eine wunderschöne Geschichte!“
Exakt diesen Dialog habe ich so oft geführt, ich könnte es nicht an zwei Händen abzählen. Neun von zehn Reaktionen sind eher schüchtern, obwohl doch fast jeder jemanden kennt, der adoptiert wurde.
In meinem Fall ist das eine wunderbar großartige Geschichte. Der Weg zu dieser Ansicht war jedoch für mich ein hauptsächlich steiniger.
eine kleine Zeitreise – zurück in die 90ern
Ich bin adoptiert. Sonderbar. Die Einzige in der Klasse, die dieses merkwürdige Label trägt. Ja beinahe in der ganzen Schule. Dass man im Leben nicht von allen Menschen gemocht werden kann und dies darüber hinaus auch kein Anspruch sein sollte, davon habe ich hier einmal geschrieben.
War ich nun sonderbar oder vielleicht besonders? Wie meine Mitmenschen war auch ich dementsprechend so oft hin- und hergerissen. Wer kann folglich schon sagen: „ich habe zwei Mamas, eine Herz- und eine Bauchmama“? Die meiste Zeit fühlte ich mich dadurch mehr sonderbar als besonders. Als ich jünger war, überwog nicht der Gedanke, dass mich eine Familie scheinbar unbedingt wollte. Dass zwei liebende Menschen bereit waren, mich zu umsorgen und mir so viel Liebe zu schenken. Sondern der, dass mich die Frau, die mich gebar, nicht wollte. Zwei Seiten der Medaille und ich war zu sehr auf die falsche, auf die vollkommen unrelevante, fokussiert. Obendrein in einem Alter, in dem man ohnehin versucht, seine Identität zu ermitteln, zu formen.
War nicht immer leicht, das Große ganze zu sehen und erst recht: zu verstehen.
wie ich die Dinge heute sehe:
Nichts desto trotz: Das Leben hat es wahnsinnig gut mit mir gemeint. Ob Zufall, Karma, Schicksal: es führte dazu, dass ich im Alter von einem halben Jahr am 23.12.1992 bei meinen (heutigen) Eltern einen Tag vor Weihnachten einfach an der Haustür übergeben wurde.
Da war ich nun. Überraschung.
Am Morgen des Heilig Abends 1992, mit anderen Worten mitten im Weihnachtstrubel, sind meine Eltern losgefahren um die Grundausstattung für ein Baby zu kaufen. Wer rechnet auch mit einem Baby, vor allem aus heiterem Himmel? Und da war es nun, mein erstes Weihnachten umgeben von Menschen, die mich vom ersten Tag an bedingungslos geliebt haben und unvorhergesehen Weihnachten nun mit einem Baby feierten. Noch in absoluten Unwissen darüber, wie es ist, ein adoptiertes Kind großzuziehen.
Damals hatten die beiden nicht vor, ein Kind zu adoptieren, aber ich habe mir sagen lassen, dass sie mich sofort ins Herz geschlossen haben. Und das mag was heißen zumal ich aussah wie ein Bub und bis zum Alter von drei Jahren scheinbar keine Haare auf dem Kopf hatte. Meine Eltern finden das heute noch “süß”. Ich glaube ihnen jedoch kein Wort.
Stempel drauf, fertig! Adoptiertes Kind.
Vier Jahre später wurde letztlich die Adoption rechtskräftig. Stempel vom Notar, Änderung des Geburtsnamens. Es ist offiziell! Vier Jahre haben meine Eltern gekämpft, denn, man glaubt es kaum, aber eine Adoption bringt viel Bürokratie mit sich. Und zudem wohl viel zu häufig große Hürden. Ich bin überaus dankbar, dass meine Eltern so festentschlossen waren.
Mir hat es nie an etwas gefehlt und ich hätte nicht behüteter aufwachsen können und meine Eltern haben mich mit viel Mühe auf einen guten Weg gebracht. Ich weiß außerdem genug über meine Herkunft um sagen zu können, wäre es anders gelaufen, ihr würdet hier vermutlich nicht von mir lesen.
In unserer Familie ist das unser aller kleines Weihnachtswunder (für mich eher das Größte). Deshalb verteile ich meine Weihnachtsgeschenke an meine Eltern auch schon Stück für Stück in der Vorweihnachtszeit, weil ich Weihnachten nicht den Fokus auf Geschenke sondern auf uns als Familie habe und Weihnachten für mich ganz persönlich ein kleiner zweiter Geburtstag ist.
Ich kann mir abschließend gerade aufgrund meiner Vorgeschichte zu 100% vorstellen, ein Kind zu adoptieren. Weil ich selbst erfahren habe, dass Liebe hier keine Grenzen kennt. Weil ich weiß, wie es ist, als adoptiertes Kind groß zu werden.
Meine kleine Weihnachtsgeschichte. Adoption, folglich kein Label mehr für mich.
Eine schöne Vorweihnachtszeit wünsche ich euch, genießt die Zeit mit euren Liebsten.
xx
7 comments
Hatte beim Lesen Gänsehaut und Pipi in den Augen, weil es so schön geschrieben ist! ♥
Awwr. Das ist süß! ☺️? Danke, für das Kompliment!
Liebste Sarah,
vielen Dank für diesen wundervollen Beitrag.
Gerade für mich auch sehr spannend, da Adoption ja auch für uns ein großes Thema ist.
Nur leider ist so eine Adoption heutzutage ja alles andere als einfach 🙁
Ganz liebe Grüße und eine ganz wundervolle Weihnachtszeit mit deiner Family
Caro
https://carolionk.com/
Liebste Caro,
danke, danke, danke für deine schönen Worte.
In der Tat sind die Hürden viel zu hoch, eine Adoption bedeutet so viel Bürokratie. ABER: Ich wünschte, mehr Kinder hätten so ein Glück wie ich.
Von daher, melde dich gerne jederzeit bei Fragen auch bei mir, wenn du möchtest.
Jetzt genießt aber erstmal noch die Feiertage und die Zeit mit euren Liebsten (:
Wir sehen uns in der Perle!
?
So eine tolle Weihnachtsgeschichte. Mir kamen gerade die Tränen vor Freude. Es freut mich soooo sehr, dass du so wundervolle Eltern hast. Alles Liebe ?♀️
Liebe Jenny,
vielen lieben Dank für deine schöne Nachricht.
Ich wünsche dir auch weiterhin schöne Feiertage ???
Liebe Sarah,
habe eben Deine Zeilen mit Gänsehaut gelesen.
Obwohl ich deine Geschichte schon kannte, ist es sehr bewegend wie du es schreibst?
Herzliche Grüße an dich und deine Eltern und Oma Linda.
Frohe Feiertage für euch alle zusammen⭐️
Ilona aus Bad Elster